Motiviert?
Motiviert?
Ich hab irgendwie überhaupt keine Lust mehr…gerade erst sind die Ferien vorbei und mir fehlt jetzt schon die Energie…
So beginnen viele Gespräche in der psychologischen Beratung. Eines der häufigsten Probleme im Lauf des Studiums ist fehlende Motivation – Lust, Energie und das Gefühl für den Sinn ihrer Ausbildung verloren zu haben, belastet Studierende oft schwer.
Was nun?
Abbrechen? Durchbeißen? Studiengang wechseln? Wenig Zeit und Aufmerksamkeit ins Studium investieren bis es sich quasi von selbst erledigt?
Was ist denn eigentlich Motivation?
Motivation ist eine kraftvolle Ausrichtung der ganzen Person, die tief in ihrem Inneren entsteht und von dort aus aufrechterhalten wird. Die Bereitschaft, Energie, Zeit und Nerven in ein bestimmtes Projekt zu investieren, den persönlichen Fokus auf dieses Projekt auszurichten und andere Anliegen ohne Groll für eine gewisse Zeit in den Hintergrund treten zu lassen.
In diesem Zustand wachsen uns Flügel, wir sind offen für Neues, für Entwicklung und unser Interesse ist leicht zu wecken. Über eventuell auftretende Hindernisse kommen wir scheinbar mühelos hinweg, auftretende Irritationen werden kaum beachtet.
Motivation bewusst zu beeinflussen, ist ein schwieriges Unterfangen – wir kennen die tieferen Ursachen für das Fließen oder Stocken dieser inneren Kraftquelle oft nicht (vollständig). Meist können Studierende Gründe nennen, die sie das Studium haben wählen und beginnen lassen. Diese Gründe haben sich nicht verändert und trotzdem ist die Motivation scheinbar verschwunden. Die Argumente „ziehen“ nicht mehr, können die positive Anfangsstimmung nicht mehr hervorrufen.
Was ist passiert?
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne… (Hermann Hesse, „Stufen“)
Oft wird das Studium mit Vorfreude und Schwung begonnen, voller Stolz darüber, aufgenommen worden zu sein. Jede Menge Energie und Neugier helfen über die ersten Hürden locker hinweg.
Es soll Menschen geben, bei denen diese Euphorie in einen permanenten Zustand übergeht, meist aber lässt der Elan schleichend nach, anfangs oft unbemerkt.
Der Glanz verblasst nach und nach, die Notwendigkeit, sich bewusst zu fokussieren und anzustrengen, nimmt zu, es läuft nicht mehr wie von selbst.
Bis zu einem gewissen Grad ist das völlig normal. Nicht erfreulich vielleicht, aber eine charakteristische Entwicklung, die im positiven Fall zu einer realistischen Einschätzung, routiniertem Umgang mit dem Studienalltag und einer überwiegend zufriedenen Haltung führen kann.
Sie wissen: Niemand muss für immer frisch verliebt bleiben, um eine gute Beziehung führen zu können.
Wenn Interesse und Engagement aber zu stark nachlassen, entstehen Probleme – nicht nur in Bezug auf die Studienleistung, sondern besonders in Bezug auf die Lebensqualität.
Wodurch verlieren wir Motivation?
Es lohnt sich, einigen typischen Motivationskillern Aufmerksamkeit zu schenken:
Kränkung, Misserfolg
Misserfolge kränken das Selbstwertgefühl, verunsichern, lassen Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, manchmal auch Ängste aufkommen. Ein ausgesprochen unangenehmer Zustand, der die Freude am Studium dämpft – schließlich wird ständig und auf unterschiedliche Weise Leistung verlangt und überprüft, man wird bewertet. An sich für die meisten schon ein schwieriges Thema, das nach Misserfolgen umso heftiger wirksam wird.
Enttäuschung und falsche Annahmen
Irgendwie hatten Sie sich das anders vorgestellt, etwas Anderes erwartet? Andere Inhalte, ein anderes Schwierigkeitsniveau, ein anderes soziales Umfeld? Auch, wenn vor Beginn des Studiums Informationen eingeholt werden – wie es wirklich ist, merkt man erst, wenn die Entscheidungsphase längst vorbei ist und der Studienalltag begonnen hat.
Überforderung/Unterforderung
Beides wirkt demotivierend. Wir fühlen uns wohl, im „Flow“, wenn wir Herausforderungen vor uns haben, die wir mit Einsatz gerade gut bewältigen können. Ist eine Aufgabe zu schwierig, löst sie Stress und Versagensgefühle aus – ist sie zu einfach, langweilen wir uns und vermissen Sinn.
Veränderung von Prioritäten
Das Leben hält immer Überraschungen bereit: Ein Jobwechsel macht sie mit ganz neuen Tätigkeiten bekannt, die persönliche oder familiäre Situation verändert sich. Wichtige Lebensbereiche haben sich verändert und damit auch Sie selbst und Ihre bisherigen Pläne und Prioritäten stehen plötzlich infrage.
Erschöpfung
Manchmal ist das Fehlen von Motivation ein deutlicher Hinweis darauf, dass einfach wirklich alles zu viel ist. Studium, Arbeit, persönliche Belastungen verschiedenster Art. Das Fehlen von Motivation kann auch ein wichtiges Alarmzeichen, sein, das auf Überlastung hinweist und unbedingt ernstgenommen werden muss.
Und was jetzt?
- Reden Sie darüber
Ganz wichtig: Tauschen Sie sich aus. Ausgiebig und oft.
Wählen Sie aber Ihre Gesprächspartner:innen mit Bedacht: Meiden Sie Gespräche, in denen Ihnen mit Durchhalteparolen und Druck in eine bestimmte Richtung begegnet wird. Zuviel Eigeninteresse auf der anderen Seite hilft Ihnen nicht weiter – oft (aber Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel!) sind deshalb enge Familienmitglieder für diese Themen nicht die beste Wahl.
Ihr Gegenüber sollte Ihnen möglichst offen zuhören können, Sie sollten das Gefühl haben, dass Ihre Zweifel und eine eventuelle Entscheidung mit Interesse und Gelassenheit aufgenommen werden können. Ergebnisoffenheit ist nicht immer perfekt möglich, sollte aber die Richtung vorgeben.
Da ein offenes Gespräch im privaten Rahmen oft nicht einfach oder nicht möglich ist, haben wir hier ein klassisches Feld für professionelle Beratung – wenden Sie sich gerne an mich oder an eine andere Beratungsstelle.
- Bearbeiten Sie persönliche Themen
Viele persönliche Themen interagieren mit der Motivation. Sich selbst einige Fragen zu stellen, kann Klärung bringen und Blockaden lösen.
Zum Beispiel: Wie reagiere ich auf Enttäuschung und Misserfolge? Was kann mir helfen, diese Erlebnisse zu überwinden? Wie geht es mir mit Langeweile, Routine? Oder andererseits mit dem Verlassen meiner Comfort Zone? Was lösen vorgegebene Strukturen, die verpflichtend einzuhalten sind, bei mir aus? Wie reagiere ich auf Autoritäten? Wie beim Arbeiten in Gruppen?
- Erlauben Sie sich, ernsthaft über alle Alternativen nachzudenken
Entscheidungen zu revidieren, ist immer schwierig. Einmal gefasste Pläne aufzugeben noch viel mehr, wir neigen dazu, an eingeschlagenen Wegen festzuhalten. Grundsätzlich keine schlechte Strategie, schließlich hat man die Entscheidung nicht ohne Grund getroffen und außerdem schon eine Menge Zeit und Energie investiert. Wünsche, Erwartungen und Zukunftspläne sind fest mit dem gefassten Plan verbunden.
Wenn man aber spürt, dass dieses Festhalten immer mehr Kraft erfordert und sich im Wiederholen von Durchhalteparolen erschöpft, dann ist es Zeit für eine grundsätzliche Klärung.
Lassen Sie als Experiment den Gedanken zu, einen anderen Weg einzuschlagen. Gehen Sie ihn in allen Facetten durch: Was würde sich verändern? Wie würde Ihr Alltag aussehen? Wie würden Sie sich fühlen?
Nehmen Sie sich Zeit, am besten einen Tag lang, um in die Schuhe jeder Alternative zu steigen. Tun Sie für 24 Stunden so, als hätten Sie Ihre Entscheidung getroffen. Wie ist Ihr Tag? Was tun Sie? Was denken Sie? Wie fühlen Sie sich?
- Berücksichtigen Sie reale Probleme
Manchmal gibt es ganz reale äußere Umstände, die die Motivation völlig untergraben können.
Es ist sehr schwierig die Kraft für ein Studium aufzubringen, wenn Sie durch Konflikte in Familie oder Beziehung belastet sind. Wenn Sie gesundheitliche Probleme haben, Krankheit oder vielleicht sogar den Tod von nahestehenden Personen verarbeiten müssen, wenn Sie gerade durch eine Trennungszeit gehen, können Sie nicht von sich erwarten, voll einsatz- und leistungsfähig zu sein.
Diese Probleme brauchen Raum, um zumindest auf einen Stand gebracht zu werden, der Sie nicht permanent beeinträchtigt. Denken Sie darüber nach, ob Sie Möglichkeiten finden können, sich zu entlasten – zum Beispiel, Ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder sich Hilfe zu holen. Und manchmal kann auch eine Unterbrechung des Studiums für einen begrenzten Zeitraum eine gute Lösung sein.
- Lassen Sie sich Zeit, neue Motivation zu finden
Manchmal geht es gar nicht um die Frage, grundsätzlich einen anderen Weg einzuschlagen oder nicht, sondern darum, dem Zauber Pause zu gönnen, zu akzeptieren, dass er gerade nicht da ist und wir nicht wissen, ob und wann er wiederkommt.
Es braucht Zeit, sich von der Anfangseuphorie zu verabschieden und einen neuen, vielleicht realistischeren Zugang zu finden und Ihre Entscheidung auf eine festere Basis zu stellen. Wenn das gelungen ist, kann wieder Zauber entstehen, der vielleicht anders, aber genauso wirksam Ihr Vorhaben begleitet.
So unangenehm eine Motivationskrise auch ist – sie erlaubt Ihnen in jedem Fall, viel über sich selbst zu erfahren. Besser zu verstehen, was Ihnen wirklich wichtig ist. Ihre Reaktionsmuster auf Frustration, Über- oder Unterforderung zu erkennen und vielleicht auch neue Lösungswege zu entdecken.
Kontakt:
Wenn Sie Fragen haben oder ein Beratungsgespräch wünschen, kontaktieren Sie mich bitte unter:
Groh, Angelika Mag.a
Klinische und Gesundheitspsychologin und Psychotherapeutin, Beauftragte für studentische Frauenfragen
+43 1 720 12 86-213